Germany – The Symphonic Dream
Mit der Projektbezeichnung “Music for keyboards” kann man auch als erfahrener Progressive Rock-Hörer einige allzu oft gehörte Schemata assoziieren. Bei dem Albumtitel “The symphonic dream” und einem Cover, auf dem nur Meer und Wolken zu sehen sind, wären auch orchestrale New Age-Kompositionen denkbar. Nach der Betrachtung der äußeren Merkmale des Tonträgers hatte ich also gewisse Befürchtungen entwickelt, die überraschenderweise doch unberechtigt waren.
Lars Boutrup macht nicht den Fehler vieler Prog-Keyboarder, die grossen Vorbilder Emerson und Wakeman nachahmen zu wollen. Bei einseitiger Betrachtung können selbst bei Boutrup Synthesizer- und elektronische Orgel-Klänge ausgemacht werden, die ohne die 70er wahrscheinlich so nicht möglich wären. Aber der dänische Musiker entwickelt solche Konzepte weiter, so dass ich fast geneigt bin zu meinen: “schaut her, der Gute macht vor, wie man keyboardorientierten Retroprog modern und kurzweilig gestalten und dabei auch noch sich selbst treu bleiben kann. “The symphonic dreams” von Lars Boutrup’s Music For Keyboards ist für mich geschmacksvoller als alle Soloalben von Emerson und Wakeman, was in diesem Fall eigentlich etwas heissen sollte.
Von erster Minute an erklingt kein angestaubter, sondern auf mich modern wirkender, von Tasteninstrumenten bestimmter Retroprog, der – treibend und energetisch – mit einer gewissen Dramatik, unaufdringlicher Symphonik, durchdachten Arrangements und den dem Stückaufbau dienenden Synthesizer- und Orgelsolos zu überzeugen weiss. Die Instrumentals wie “June” und “Secrets behind the curtain” atmen für mich denselben Geist wie beispielsweie der Mittelteil von “Fanfare for the common man” von Emerson, Lake & Palmer: zielsicher, etwas dramatisch und doch verspielt. Ein leichter Industrial-Elektronik-Touch macht einige der Stücke von Boutrop interessanter und moderner. Die New Age-beeinflusste Piano-Romantik von “Space Peace” und das mit der charmanten Akustik eines Nebenzimmers gesegnete, atmosphärische Piano-Solo-Stück “A song for John” gehören hier zu den absoluten Ausnahmen. ELP hatten mal eine Witznummer namens “Are you ready Eddy?”. Boutrup präsentiert nun “Eddy will not be ready”, das jedoch keine Stilbrüche im Vergleich zu den beschriebenen Stärken von “The symphonic dream” bietet und damit keine richtige Antwort auf ELP’s Rock’n’roll-Versuch sein kann. Es sei denn, man betrachtet die aggressive Spielweise, die Boutrup seiner Orgel zuteil werden lässt.
12/15 ************
Von: Siggy Zielinski